Nachwuchs im Schnitzerhäusel Krumhermersdorf: Kinder entdecken das Holzhandwerk neu

Josefine und Jule (r). zeigen ihre Porträt-Schnitzversuche. Bild: Christof Heyden
Josefine und Jule (r). zeigen ihre Porträt-Schnitzversuche. Bild: Christof Heyden

"Freie Presse" vom 10. Oktober 2025, von Christof Heyden

In Krumhermersdorf greifen Mädchen und Jungen wieder zum Schnitzeisen. Die fast 100 Jahre alte Gemeinschaft setzt auf neue Wege, um junge Menschen im Erzgebirge für das traditionelle Handwerk zu begeistern.

 

Dienstagabend im Schnitzerhäusel Krumhermersdorf: Ein Dutzend Mädchen und Jungen sitzt an den Arbeitstischen mit sichtbarer Freude. In der fast 100-jährigen Geschichte der Interessengemeinschaft ist die Nachwuchsgruppe das lebendige Zeichen dafür, dass erzgebirgisches Holzhandwerk auch in einer digitalen Welt Zukunft haben kann.

Wie Generationen vor ihnen beginnen die Kinder mit klassischen Pilzmodellen. Die zehnjährige Margo führt an diesem Abend zum ersten Mal das Schnitzeisen. Von einer Freundin hat sie eine Figur geschenkt bekommen – da habe sie es selbst ausprobieren wollen, erzählt sie. Mit ruhiger Hand bearbeitet sie das flache Holzbrett, auf dem zuvor das Motiv aufgezeichnet wurde. Span um Span entsteht die Form.

Kinder für Handwerk im digitalen Zeitalter begeistern

 

„Wir versuchen, einen zeitgemäßen Ansatz zu finden, Kinder im digitalen Zeitalter für die Handarbeit mit Holz zu begeistern“, sagt Claudia Richter. Gemeinsam mit Katrin Bellmann und Stefan Gräßler leitet sie die Nachwuchsgruppe, die inzwischen gut besucht ist. Kinder müssen ihren Worten zufolge erleben, dass sie etwas Eigenes schaffen können. Wenn das gelingt, wächst automatisch die Begeisterung.

Das sei jedoch nicht selbstverständlich. „Schnitzen lernen ist zeitaufwendig und braucht Geduld und Übung. Wer nur einmal pro Woche arbeitet, kommt nur langsam voran“, erklärt die Krumhermersdorferin. Oft ist die Versuchung groß, als Erwachsener einzugreifen, wenn Fortschritte auf sich warten lassen. „Aber dann wird es nicht mehr das Werk des Kindes.“

 

Tradition trifft Moderne: Neue Lehrmethoden im Schnitzhandwerk

 

Viele Schnitzvereine im Erzgebirge stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Die erfahrene Generation, meist im Rentenalter, hält das Handwerk noch am Leben, doch die Zahl der Nachrückenden schrumpft. Zumal für Jugendliche Schnitzen kein Trendhobby ist, weiß Claudia Richter. „Das heißt, unsere Gilde ist gefordert, Nachwuchs zu begeistern. Das kann besser gelingen, wenn wir unsere Lehrmethoden überprüfen und nicht nur sagen: Das haben wir schon immer so gemacht.“ Es brauche moderne Ansätze, die Fingerfertigkeit, Vorstellungsvermögen und Geduld der nachwachsenden Generation besser berücksichtige.

 

Dort setzt Stefan Gräßler an. Der erfahrene Schnitzlehrer aus Beierfeld bringt seit Jahrzehnten Heranwachsenden die Arbeit mit Holz näher. Er hat ein Konzept entwickelt, das auf Laubsägearbeiten als Einstieg setzt. Damit sollen Kinder schneller sichtbare Ergebnisse erzielen und zugleich lernen, wie Holz auf Schnitt und Druck reagiert. In vorbereitenden Bastelstunden mit Katrin Bellmann entstehen die Rohformen, die später weiterbearbeitet und bemalt werden.

 

Porträtarbeiten: Kinder formen aus Holz individuelle Gesichter

 

Seit September 2024 läuft das Programm, sagt Gräßler. Jedes Kind habe inzwischen ein eigenes Werkstück geschaffen. Beliebt seien Schneemänner, die aus flachen Holzplatten herausgearbeitet und farbig gestaltet wurden.

 

Das aktuelle Projekt ist anspruchsvoller: Porträtarbeiten. „In sechs Arbeitsschritten schaffen die Kinder aus einem flachen Brett ein Gesicht mit erkennbaren Zügen“, erläutert Gräßler. Eine Schablone dient als Orientierung, um Augen, Mund und Haare individuell gestalten zu können. So entwickeln die Kinder ein Gefühl für Proportionen und Ausdruck.

 

Stefan Gräßler und Claudia Richter sind zuversichtlich, dass die jungen Schnitzer zur Gemeinschaftsarbeit zum 100-jährigen Jubiläums im kommenden Jahr einen sehenswerten Beitrag leisten werden. (hy)

Claudia Richter gibt der zehnjährigen Margo Tipps, einen Pilz zu schnitzen. Bild: Christof Heyden
Claudia Richter gibt der zehnjährigen Margo Tipps, einen Pilz zu schnitzen. Bild: Christof Heyden
Stefan Gräßler zeigt Josefine, Jule und Jamie, wie ein Gesicht bemalt wird. Dazu schneidet er zur Verdeutlichung auch Grimassen. Bild: Christof Heyden
Stefan Gräßler zeigt Josefine, Jule und Jamie, wie ein Gesicht bemalt wird. Dazu schneidet er zur Verdeutlichung auch Grimassen. Bild: Christof Heyden
Diese Schneemannfiguren sind im zurückliegenden Halbjahr entstanden. Bild: Schnitzverein/ Claudia Richter
Diese Schneemannfiguren sind im zurückliegenden Halbjahr entstanden. Bild: Schnitzverein/ Claudia Richter

Kommentar schreiben

Kommentare: 0