Der Mann unter der Platte: Wie ein Stück des Weltkulturerbes Montanregion Erzgebirge in Krumhermersdorf lebendig wird

Mario Dehs kümmert sich um den Kabelsalat unter der Anlage. Bild: Kristian Hahn
Mario Dehs kümmert sich um den Kabelsalat unter der Anlage. Bild: Kristian Hahn

"Freie Presse" vom 18. November 2023, von Mike Baldauf

Fünf Jahre Arbeit stecken in der Modelllandschaft, die Wilfried Neumann aus Chemnitz und sein Team am 2. Dezember erstmals der Öffentlichkeit vorstellen wollen. Ihr Beitrag zum Kulturhauptstadtjahr 2025.

 

Wilfried Neumann und sein Team sind fast am Ziel. Am 2. Dezember werden sie die Früchte ihrer fünfjährigen Arbeit im Krumhermersdorfer Begegnungszentrum „De Schul“ präsentieren. In einem der früheren Klassenzimmer können dann Besucher ein Stück des Weltkulturerbes Montanregion Erzgebirge auf einer TT-Modellbahnanlage bewundern.

Das Besondere daran: Der Zugverkehr darauf gerät fast zur Nebensache angesichts der mit viel Liebe zum Detail gestalteten Landschaft. Auf der 18 Meter langen u-förmigen Grundplatte ist in den zurückliegenden Wochen viel in Bewegung gekommen. Überall rotieren Maschinen, Lichter leuchten auf. Das passiert nicht fortlaufend, sondern ereignisgesteuert.

Ein Detail im Museumsdorf: Ein Ausflugszug mit einer Dampflok passiert einen Pferdegöpel, ein Wasserrad und ein Pochwerk. Bild: Kristian Hahn
Ein Detail im Museumsdorf: Ein Ausflugszug mit einer Dampflok passiert einen Pferdegöpel, ein Wasserrad und ein Pochwerk. Bild: Kristian Hahn

Hinter manchen Fenstern scheinen Fernsehgeräte zu laufen

Damit gibt es immer wieder etwas Neues zu entdecken. Zum Beispiel den Kfz-Schlosser, der unter einer Hebebühne schweißt. Neben dem vom Lichtbogen erzeugten Flackern ist auch das beim Elektrodenschweißen typische Knistern zu hören. Nicht weit entfernt von der Autowerkstatt hat sich ein Unfall ereignet. Mehrere Löschfahrzeuge sind angerückt. Das Blaulichtgewitter der Feuerwehrautos und der Schweißeinsatz werden immer dann ausgelöst, wenn ein Zug an der Stelle vorbeifährt, erklärt Wilfried Neumann. In dem Thermalbad Wiesenbad nachempfundenen Kurmittelkomplex gehen in den Bettenhäusern in einigen Zimmern von Zeit zu Zeit Lichter an. Hinter manchen Fenstern scheinen Fernsehgeräte zu laufen. Ein Aufzug fährt nach oben. Auf einer Schiffsgetreidemühle dreht sich ein Wasserrad. Auch andere technische Anlagen wie ein Pochwerk und ein Sägegatter sind in Betrieb und geben Geräusche von sich. Aus einem Waldstück dringt Motorsägenlärm. Einem Arbeiter kann man beim Fällen einer Fichte zusehen. Am Ende fällt der Baum.

Diese Effekte zu steuern, ist Aufgabe von Mario Dehs. Den Mann für die Elektronik hatte Wilfried Neumann inmitten seiner Arbeit kennengelernt. „Ohne ihn bräuchte ich heute sechs Leute, um die Anlage zu bedienen.“ Als Dehs in das Projekt einstieg, kappte er zunächst die Verkabelung der schon fertiggestellten Landschaftsmodule und ersetzte sie durch Sensoren und Steuerbauteile für die Automatisierung.

 

„200 Lampen und Getriebemotoren können wir einzeln ansteuern“, sagt Wilfried Neumann. Hinzu kommen rund 100 Meter Gleise mit 52 Weichen. Mithilfe von Sensoren kann Mario Drehs sehen, an welcher Stelle sich die Züge gerade aufhalten. Damit das funktioniert, muss vorher gemessen werden, wie lange eine Lok benötigt, um vom Punkt A nach Punkt B zu gelangen.

 

Drei Mal in der Woche kommt der Chemnitzer vorbei, um die Schnittstellen in das Steuerprogramm einzubinden. In dieser Zeit krabbelt er oft auf allen Vieren unter der Grundplatte herum. Auf der Unterseite werden die Kabel von Weichen, Lampen, Motoren und Sensoren mit den Steuereinheiten zusammengeführt, von denen wiederum Netzwerkkabel zur Hauptsteuerung führen. Die Zentrale der Anlage ist mit dem Internet verbunden und wird per W-Lan mit einer Fernbedienung gesteuert.

 

Wilfried Neumann montiert eine Felsattrappe, links daneben drehen sich die Rotorblätter eines Hubschraubers, der eine neue Turmbekrönung für die Wehrkirche anbringt. Bild: Kristian Hahn
Wilfried Neumann montiert eine Felsattrappe, links daneben drehen sich die Rotorblätter eines Hubschraubers, der eine neue Turmbekrönung für die Wehrkirche anbringt. Bild: Kristian Hahn

Überraschung am Eröffnungswochenende

Annähernd 20.000 Arbeitsstunden stecken mittlerweile in dem Projekt, das Wilfried Neumann vor fünf Jahren allein begann. Im Laufe der Zeit gesellten sich weitere Mitstreiter hinzu: Spezialisten für den Bau von Gebäudemodellen, die Miniaturisierung von Steuerungen und die Bemalung der Anlagen-Rückwände.

 

Die Ergebnisse ihrer Arbeit können Besucher am 2./3. sowie 9./10. Dezember in der Zeit von 10 bis 17 Uhr im Begegnungszentrum sehen. Am ersten Wochenende sind zudem Krumhermersdorfer Klöpplerinnen und Schnitzer sowie Kalitzkis Puppenkaufhaus aus Werdau und der ungekrönte Chemnitzer Schwibbogen-König Andreas Kahl mit seiner Kollektion dabei.

 

 

„Wenn zur Eröffnung jemand erkennt, dass wir unsere Weltkulturerbe-Montanregion nachgebildet haben, bin ich schon zufrieden“, sagt Wilfried Neumann, der die Anlage als Beitrag zum Kulturhauptstadtjahr 2025 sieht. Richtig fertig soll diese aber erst im nächsten Jahr werden. Dann will Wilfried Neumann die Anlage um ein Modul mit Schmalspurbahn ergänzen. „Die darf im Erzgebirge nicht fehlen.“ (mik)

 

Link zum Original-Artikel:

https://www.freiepresse.de/erzgebirge/zschopau/der-mann-unter-der-platte-wie-ein-stueck-des-weltkulturerbes-montanregion-erzgebirge-in-krumhermersdorf-lebendig-wird-artikel13093679

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