Ein Chemnitzer baut das Erzgebirge nach

In diesem ehemaligen Klassenzimmer will Wilfried Neumann seine Modellbahnausstellung einrichten. Foto: Andreas Bauer
In diesem ehemaligen Klassenzimmer will Wilfried Neumann seine Modellbahnausstellung einrichten. Foto: Andreas Bauer

"Freie Presse" vom 19.11.2022, von Mike Baldauf

Mit einer Modellbahn möchte Wilfried Neumann einen Beitrag im Kulturhauptstadtjahr 2025 leisten. Nachdem er in seiner Heimatstadt keinen Raum fand, hat er nur wenige Kilometer weiter einen Platz für eine Dauerausstellung bekommen.

Krumhermersdorf/Chemnitz - Hinter der Müllabfuhr hat sich eine Autoschlange gebildet, die sich langsam die enge Dorfstraße hinaufschiebt. Der Müllmann lässt sich davon nicht beeindrucken und rollt gemächlich eine Tonne über die Straße. Auf dem Güterbahnhof wird eine Herde Kühe aus Eisenbahnwaggons getrieben. Beim Liebesspiel demolieren zwei von ihnen im Eifer des Gefechts eine Telefonzelle. Ein Stück weiter weg bearbeitet vor einem abgeholzten Hang ein Harvester Fichtenholz, das vom Borkenkäfer befallen wurde.

Wilfried Neumann hat ein Auge fürs Detail. Diese und weitere Szenen setzt der Chemnitzer auf einer TT-Modellbahnanlage um. Auf einer 18 Meter langen U-förmigen Grundplatte will er einen Ausschnitt der Weltkulturerbe-Region Erzgebirge zeigen und damit einen Beitrag im Kulturhauptstadtjahr 2025 leisten.

Wer einen Blick auf die schon fertiggestellten Module wirft, wird sofort typisch Erzgebirgisches erkennen – von der Landschaft, den Fachwerkhäusern bis zu den Menschen. Bis November 2023 soll die Anlage fertig sein und im Begegnungszentrums „De Schul“ in Krumhermersdorf in einer Dauerausstellung zu bewundern sein.

Doch von vorn. Schon in früher Kindheit kam Wilfried Neumann mit Modellbahnen in Berührung. „Mein Vater war eisenbahninfiziert. Er arbeitete als Ausbilder in einem Automobilwerk und baute mit den Lehrlingen Blecheisenbahnen“, erinnert sich Neumann. Später verlor er sein Hobby aus den Augen. Erst viel später kam er wieder damit in Berührung. „Als unsere Kinder aus dem Haus waren, haben wir überlegt, was wir mit den leeren Zimmern anstellen. Da habe ich meine Eisenbahn wieder ausgepackt“, berichtet der Chemnitzer. Die Loks aus der Kindheit funktionieren zwar nicht mehr, bekommen aber trotzdem einen Platz auf der neuen Anlage – im Bahnbetriebswerk.

Wilfried Neumann hält es mit Konfuzius: Der Weg ist das Ziel. 2018 begann er, seine Idee umzusetzen. „Ich mache vorher keine Zeichnung. Auf einem Modul lege ich immer zuerst die Gleise an. Dann überlege ich mir ein Thema, baue Häuser und Straßen und verfeinere das Ganze immer mehr.“ So entstand das fiktive Museumsdorf Bornwald, zu dem sich Wilfried Neumann auch eine Geschichte ausgedacht hat: „In der Nachwendezeit wurden viele Nebenstrecken stillgelegt und zurückgebaut. Das gleiche Schicksal drohte dem kleinen Kopfbahnhof Bornwald. Einige Eisenbahn-Enthusiasten erwarben nach der Gründung eines Vereins die noch vorhandenen Gleisanlage und Gebäude und kämpfen seither mit viel Engagement um den Erhalt und die Dokumentation der Eisenbahngeschichte des Ortes.“

Ebenso spiegelt der Chemnitzer einen Teil gesamtsächsischer Eisenbahngeschichte wider. Dafür steht der Eisenbahnpionier Richard Hartmann, der speziell für den Verkehr im Mittelgebirgsraum Hunderte Lokomotiven baute und konstruierte. Auch den Klimawandel greift Neumann auf. „Als ich im vergangenen Jahr im Sauerland unterwegs war, habe ich Landschaften gesehen, in denen kein Baum mehr stand.“ Da auch der Erzgebirgswald unter Trockenheit und Borkenkäferbefall leidet, setzte der Chemnitzer einen abgeholzten Fichtenwald mit Holzbearbeitungsgerät und Lagerplatz in Szene.

Sieben von zehn Modulen für die Modellbahnanlage sind inzwischen fertig. Ursprünglich hatte Wilfried Neumann vor, damit Ausstellungen zu besuchen. „Doch schnell wurde mir klar, dass das einen ziemlich hohen logistischen Aufwand bedeuten würde und ich lieber einen festen Platz suchen sollte.“ Nachdem er in seiner Heimatstadt erfolglos blieb, fiel ihm sein Kontakt zu dem inzwischen verstorbenen Vorsitzenden des Vereins „De Schul“, Matthias Rochlitzer, ein. Dem Geschäftsführer von Maroc Design hatte er früher Holz geliefert. Bei der heutigen Vereinschefin Simone Weigelt rannte Neumann offene Türen ein: „Wir brauchen solche Leute, die so kreativ und aktiv sind.“

Bis Ende des Jahres soll das für das Projekt vorgesehene frühere Klassenzimmer hergerichtet sein. Im Frühjahr will der Chemnitzer mit dem Aufbau beginnen, sodass er die Modellbahn zu den Gleisdreieck-Ausstellungen in der Region in einem Jahr bewerben kann. Jüngere Modellbahner lädt Wilfried Neumann ein, sein Werk weiterzuentwickeln. Die Digitalisierung hat auch auf seiner Anlage Einzug gehalten. Die Steuerung der Züge erfolgt halb automatisch und bietet hinsichtlich der Programmierung noch viel Potenzial für Verbesserungen.

 

Link zum Original-Artikel:

https://www.freiepresse.de/erzgebirge/zschopau/ein-chemnitzer-baut-das-erzgebirge-nach-artikel12552646

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Kommentare: 1
  • #1

    Winkler christiane (Dienstag, 31 Oktober 2023 19:33)

    Sehr geehrter Herr Neumann, habe heute Ihren Beitrag über die liebevolle Gestaltung der Eisenbahnanlage gelesen. Ich selbst habe noch von meinem Vati eine kleine Eisenbahn, es ist aber niemand da der dafür interessiere zeigt. Vielleicht können wir privat schreiben und ich könnte Ihnen Bilder schicken
    Christiane-wi@gmx.de meine Mail
    Viele Grüße
    Von Frau Winkler christiane
    Würde mich freuen von Ihnen zu hören