Wo einst eine Wiese jahrzehntelang blühte

Hat die Ruinen im Bornwald seit der Kindheit im Blick: Steffen Neubauer. Foto: Andreas Bauer
Hat die Ruinen im Bornwald seit der Kindheit im Blick: Steffen Neubauer. Foto: Andreas Bauer

"Freie Presse" vom 21. April 2021, von Andreas Bauer

Vor 100 Jahren wurde die Bornwaldmühle abgerissen. Zusammen mit dem markanten Gebäude verschwand eine ganze Siedlung, deren Spuren im Wald aber noch erkennbar sind und mitunter sogar Schatzsucher anlocken.

Krumhermersdorf. Wie das mystische Zeugnis einer Sagenwelt erhebt sich plötzlich ein Steinbogen aus dem Waldboden. Wer an der Bornwaldschänke in den Bornwaldweg einbiegt und unten am Fabrikbergweg einige Schritte in Richtung Schwarzbach läuft, der könnte sich vorkommen wie in einem Fantasy-Film. Denn hinter dem Bogen warten noch mehr vermooste Mauern, die an einer Stelle sogar ein begehbares Gewölbe bilden. Auch der Bach wird auf einer Seite von perfekt aufeinander gelegten Steinen gesäumt, die aber nur bis zum Niveau des Erdreichs führen. Alles darüber hat der Wald in Beschlag genommen.

Was ohne Ortskenntnis wie eine geheimnisvolle Märchenwelt wirkt, ist laut Steffen Neubauer der Rest der früheren Bornwaldhäuser. Seit seiner Kindheit ist der nun 65 Jahre alte Krumhermersdorfer gern in der einstigen Siedlung unterwegs. Kletterte er einst zwischen den Mauern herum, um seine Abenteuerlust zu stillen, so schaut der gelernte Zimmermann längst mit ganz anderen Augen hin. "Das sind Steine, mit denen die Bornwaldmühle gebaut wurde", sagt er beim Blick an den Wegesrand. Tatsächlich weisen die vermeintlichen Felsteile klare Kanten auf. Genauso sind im Wald Plateaus zu erkennen, auf denen einst die Mauern standen - genau wie die Konturen der Gräben, die früher insgesamt vier Wasserräder speisten.

 

"Es gab schon immer viel Wasser im Bornwald - und deshalb auch viele Mühlen", erklärt Neubauer. Sein eigener Wissensdurst und die Leidenschaft seines Schwiegervaters Kurt Hähnel, der als Krumhermersdorfer Ortschronist keine Mühen scheute, haben ihn zu einem Heimatforscher werden lassen. Natürlich gilt sein Hauptinteresse den Bornwaldhäusern. Und so weiß der 65-Jährige, dass am Schwarzbach alles mit einer einsamen Mühle begann: "Das erste Haus war die Richtermühle, die um 1780 auf der sogenannten Richterwiese gebaut wurde, benannt nach dem Besitzer."

 

Angesichts der vielen hohen Bäume, die heute am Schwarzbach stehen, fällt es schwer, sich dort eine Wiese vorzustellen. Doch diese Gegebenheiten bot der Bornwald in diesem Gebiet, in dem bis 1840 sechs weitere Grundstücke bebaut wurden. Die Wiese erlebte jahrzehntelang eine wahre Blütezeit und lockte vor allem Müller, Forstarbeiter und Strumpfwirker in den abgelegenen Ortsteil. "In der besten Zeit haben hier bis zu 100 Menschen gewohnt", schätzt Neubauer. Neben der Richtermühle, aus der später ein Dreiseitenhof wurde, ließ beispielsweise der Fabrikant Heßler eine Spinnerei bauen, die 1842 in Brand geriet.

 

Auch die zu Beginn des 19. Jahrhunderts errichtete Bornwaldmühle wurde 1830 von Flammen heimgesucht, bewahrte aber ihren guten Ruf als Mahlmühle mit Ausschank und Gästezimmern. "Der dazu gehörige Biergarten war ein beliebtes Ausflugsziel. Dort hat der Konzertina-Verein für Musik und Stimmung gesorgt", erzählt Neubauer. Von solchen Ereignissen weiß er, weil auch sein eigener Großvater dort einst einkehrte. Doch mit den Feierlichkeiten und der Blütezeit war es gegen Ende des 19. Jahrhunderts schon wieder vorbei, weil die Wasserqualität für das wachsende Chemnitz wichtiger war als die Mühlen. "Um sauberes Wasser zu erhalten, mussten alle Häuser und Gebäude im Born- und Heinzewald weichen", heißt es in der Krumhermersdorfer Ortschronik, an der Steffen Neubauer für die 725-Jahr-Feier mitgearbeitet hat. Alle Grundstücke wurden von der Stadt gekauft. Auch der Abriss der Bornwaldmühle, die zwischenzeitlich noch als Wohnheim für die Erbauer der Neunzehnhainer Talsperre diente, war damit besiegelt. "1921 war alles weg", erzählt Neubauer. Abgesehen vom nahe gelegenen Forsthaus, das erst 1935 verschwand, blieben nur noch verfüllte Keller übrig. Doch die üben bis heute noch ihren Reiz auf so manche Besucher aus. "Es kommen immer wieder Schatzsucher hierher", berichtet der 65-Jährige, der ebenfalls häufig vor Ort unterwegs ist. Auf Wandertouren lässt er mit seinen Erzählungen die Geschichte der Bornwaldhäuser wieder lebendig werden.

 

Zum Original-Artikel der Freien Fresse:

https://www.freiepresse.de/erzgebirge/zschopau/wo-einst-eine-wiese-jahrzehntelang-bluehte-artikel11455797

 

Der Keller der einstigen Spinnerei ist heute noch begehbar. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurden dort Lebensmittel gelagert. Foto: Andreas Bauer
Der Keller der einstigen Spinnerei ist heute noch begehbar. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurden dort Lebensmittel gelagert. Foto: Andreas Bauer
Wie ein Denkmal aus längst vergessener Zeit erinnert dieser Steinbogen an eins der Bornwaldhäuser. Er wirkt so standhaft wie die Bäume daneben. Foto: Andreas Bauer
Wie ein Denkmal aus längst vergessener Zeit erinnert dieser Steinbogen an eins der Bornwaldhäuser. Er wirkt so standhaft wie die Bäume daneben. Foto: Andreas Bauer
Ein Gemälde, das heute in der Bornwaldschänke hängt, zeigt, wie die nahe gelegenen Bornwaldhäuser in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausgesehen haben. Ganz rechts befindet sich die Bornwaldmühle. Foto: Andreas Bauer
Ein Gemälde, das heute in der Bornwaldschänke hängt, zeigt, wie die nahe gelegenen Bornwaldhäuser in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausgesehen haben. Ganz rechts befindet sich die Bornwaldmühle. Foto: Andreas Bauer
Auch an dieser Mauer entlang des Schwarzbachs hat der Zahn der Zeit kaum genagt. Das Wasser war wichtig für die vielen Mühlen im Bornwald. Foto: Andreas Bauer
Auch an dieser Mauer entlang des Schwarzbachs hat der Zahn der Zeit kaum genagt. Das Wasser war wichtig für die vielen Mühlen im Bornwald. Foto: Andreas Bauer

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